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19.04.1999: Blumfeld im Star-Club / Dresden
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3 Minuten nach dem Beginn der Vorband waren wir
im Star Club. Am Eingang stand niemand, der ganze Flur war leergefegt
und ich befürchtete das Schlimmste. Aber Tilman Rossmy sollte
unrecht bekommen denn die Leute hatten sich bereits zum Lauschen im Saal
eingefunden. Die Hamburger Philosophen würden also nicht viel negatives
zu ertragen haben.
Die Klänge im Saal waren elektronischer
Natur. Die Hauptperson namens Barbara Morgenstern spiele Keyboard
und wurde von einem Herren namens Obermeier an einem ebensolchen Instrument
sowie einem Plattenspieler unterstützt. Letzterer wurde zum Scratchen
und Abspielen verschiedener Samples genutzt; so wurden wir zum Beispiel
mit ein paar Indianern in den Wilden Westen versetzt. Barbaras Stimme schwankte
zwischen Ähnlichkeiten mit Tamara Danz und der Rosenstolz-Frontfrau.
Leicht triphopig angehaucht verbrachten wir eine dreiviertel Stunde mit
hauptsächlich ruhigen Tönen mit dem Warten auf den Hauptact.
Dem Publikum gefiel die Vorband recht gut und sie wurde mit viel Applaus
verabschiedet.
Das nächste war ein Wiedersehen mit 50% der
Kante-Fraktion.
Hamburg ist schon ein seltsames Nest, die Umgebung (vor allem die musikalische)
will ich da überhaupt nicht ausschließen! Da spielt jeder bei
jedem, jeder kennt jeden, jeder schreibt für alle und gecovert wird
von hüben nach drüben. Die Lassie Singers borgen bei der
Regierung,
die ja eigentlich Tilman Rossmy gehört. ToCoTRoNiC-Teile
singen Lieder über die Cheffin von LADO, weitere Label-Mitarbeiter-Namen
sind auf 80% aller Platten aus der Gegend zu lesen. Und weil Arne &
Co. nicht genug mit sich und ihrer verlorenen Zeit zu tun haben, unterstützen
sie schnell mal wieder
Tilman, z.B. bei seinem guten wilden Leben.
Knarff
Rellöm covert nicht, nein er kopiert ganze Songs von
Kante
um sie mit zusätzlichem Text zu versehen. Musikalisch unterstützen
ihn dann noch die Schweizer
Aeronauten und GUZ. Bei den Live-Auftritten
war es meiner Erinnerung nach Bernadett Hengst von Die Braut
haut ins Auge. Musiker als universell einsetzbare Handelsware und die
Jungs und Mädels haben scheinbar 'ne Menge Spaß dabei. Und eben
diese Kante sind vier Leute, und zwei davon spielen bei Blumfeld
: Kante-Sänger sind hier Gitaristen und
Kante-Keyboarder
keyboarden bei Blumfeld. Alle zusammen? Na dann kann's ja losgehen.
Los ging es mit dem inzwischen recht gut aus
ViVA
bekannten Song namens Tausend Tränen Tief. Schmachtvoll erzählte
Jochen
Diestelmeyer die Geschichte zur Musik vom Band. Wie im Video war er
auch hier allein auf weiter Flur. Danach bedankte er sich artig für
die drei Kuscheltiere, die den Weg zur Bühne fanden. Man hatte das
Gefühl, er spielte den Song deswegen zuerst, um es hinter sich zu
haben. Song zwei war Mein System kennt keine Grenzen. Fast wie zum
Trotz der Pop-Pamphlete betreffs des neuen Blumfeld-Stils den die
Kritiker erkannt haben wollen krachte dieser Song in den Raum. Laut und
wütend. Motto: "Blumfeld machen Pop? Ja! Später!" Die
nächsten Lieder waren alle vom vorletzten Album, wobei Diestelmeyer
auf die ViVA-Generation anspielend betonte, bereits seit 10 Jahren
und 3 Alben Musik zu machen.
Jochen versuchte sich als Entertainer, was ihm
genausowenig gelang, wie die Leute zum Tanzen zu bringen. Man wollte nicht
springen, man wollte einfach zuhören. Flache Witze wechselten sich
während der Lieder mit kleinen Anekdoten ab. Eine davon war, daß
er in Bern in einem Platten-Second-Hand für den Sänger von Liquido
gehalten wurde, was ihn spontan dazu brachte, deren Hit zu pfeifen. Weitere
Cover-Versionen folgten im Laufe des Konzertes: George Michael und
Van
Halen kamen auch an die Reihe.
Status - Quo Vadis widmete er der linken
Szene, die vor kurzem von der Woche als tot verschrien wurde. Daß
sie nicht tot sei sehe man an Blumfeld selbst. Ein eindeutiges Statement,
welche von den Hamburgern recht selten zu hören sind. Meist sind die
Texte so verschwommen und mehrdeutig oder bis zur Unkenntlichkeit verschachtelt,
daß solche Statements zumindest von mir gern aufgenommen werden.
Andere Leute sahen diese Bemerkung eher als Plump an, was eine Diskussion
beim nach-Hause-fahren nach dem Konzert nach sich zog.
Bis es nach fast zwei Stunden Philosophie-Nachhilfe
so weit war, gaben die Nordlichter zwei Zugaben. Die zweite Zugabe bestand
nach Jochens Aussage aus einer Premiere, denn Old Nobody wurde von
ihnen noch nicht live aufgeführt. Für die erste Zugabe ließen
sich die Jungs aber eine Weile bitten und schlossen sie mit Eines Tages.
Davor setzten sie den von L'etat e moi bekannten Titel Verstärker.
Dieses Lied hat auf der CD schon eine enorme Vitalität und Kraft,
aber live und handgemacht die Rückkopplungen und Verzerrungen zu sehen
und vor allem zu hören übertraf die Konserve bei weitem!
Die glücklichen Anwesenden hatten heute
also ein Konzert der Extra-Klasse gehört. Zwar hat mir Tilman Rossmy
am selben Ort noch ein wenig besser gefallen, aber Blumfeld sind
schon einen Besuch wert!
RetRo
PS: Falls mir jemand Fotos/Scans
für diese Page vom heutigen Abend zukommen lassen könnte, würde
mich das sehr freuen. RetRo
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